23.06.2020 17:29

Erster Stolperstein kommt

(Lörrach) Die Stadt Lörrach wird gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig am Donnerstag, 24. September die ersten Stolpersteine in Lörrach verlegen. Am Vorabend wird der Künstler persönlich das europaweite Gedenkprojekt „Stolpersteine“ vorstellen und sich anschließend Zeit nehmen, um Fragen zu beantworten.

Schon seit einigen Jahren wird in Lörrach die Frage diskutiert, ob zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus nicht auch in Lörrach Stolpersteinen verlegt werden sollen. Das Projekt Stolpersteine wurde durch den Künstler Gunter Demnig in den 1990er Jahren zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus konzipiert. Stolpersteine sind 10 x 10 Zentimeter große Messingplatten, die auf Betonsteine aufgebracht werden, und dann in den Gehweg oder Straßenbelag vor dem letzten Wohnort des Opfers eingelassen werden. Jeder einzelne Stein erinnert an das Leben eines Opfers des Nationalsozialismus und beschreibt mit wenigen Worten das Leiden und Sterben der Person.

Das Verlegen der Steine im Boden soll dazu führen, dass heutige Betrachter über die Steine gedanklich „stolpern“, und darauf aufmerksam werden, dass an diesem Ort einst Menschen gelebt haben, die durch die Gewalt des nationalsozialistischen Regimes zu Opfern wurden. Eine zweite Bedeutungsebene liegt darin, dass sich die heutigen Betrachterinnen und Betrachter den Kopf senken müssen, um die Steine auf der Straße zu betrachten, wobei sie sich gleichsam symbolisch vor den Opfern verbeugen.
Das Projekt wird von Anfang an auch von kritischen Stimmen begleitet, unter anderem wurde bemängelt, dass Menschen mit Füßen auf die Steine träten und die Steine im Schmutz lägen.

In Lörrach hatte sich ursprünglich die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) gegen Stolpersteine für jüdische Opfer ausgesprochen. Daher wurde für die jüdischen Opfer in der Teichstraße eine Gedenkstele errichtet. Auch folgte der Lörracher Gemeinderat dieser Haltung und sprach sich generell gegen Stolpersteine aus. Seit 2018 gab es eine neue Initiative zur Verlegung von Stolpersteinen und auch in der jüdischen Gemeinde kam es zu einem Umdenken, sodass auf Antrag der Verwaltung der Gemeinderat im September 2019 der Verlegung von Stolpersteinen grundsätzlich zugestimmt hat.

Unter Federführung des städtischen Fachbereichs Kultur und Tourismus hat sich seit Januar 2020 ein Beirat zusammengefunden, der über die Aktivitäten zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus entscheidet. Dieser Beirat hat sich für die Verlegung von ausgewählten Stolpersteinen an wenigen Orten ausgesprochen. Eine möglichst große Ausgewogenheit zwischen den verschiedenen Opfergruppierungen war dem Beirat wichtig. Das Verlegen von Stolpersteinen soll auch in Lörrach als ein dynamischer Prozess angegangen werden, der die Stadt in den kommenden Jahren begleiten wird. Daher werden auch weiterhin Anträge auf Verlegung von Stolpersteinen vom Fachbereich Kultur und Tourismus entgegengenommen.

Dem Beirat wurden Anfang des Jahres zwei umfängliche Anträge mit insgesamt 19 Opferpersonen an sechs unterschiedlichen Orten eingereicht. Diese Anträge wurden im Stadtarchiv auf Vollständigkeit geprüft. Schließlich hat der Beirat für dieses Jahr acht Personen ausgesucht, die an drei verschiedenen innerstädtischen Orten gelebt haben. Darunter befindet sich auch die Familie Denz, deren Schicksal als Zeugen Jehovas schon durch verschiedene Veröffentlichungen dokumentiert ist. Beide Anträge auf Verlegung konnten durch die Entscheidung des Beirats berücksichtigt werden. Für dieses Jahr wurde gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig die Verlegung der ersten acht Stolpersteine in Lörrach für den 24. September vereinbart.

Die Verwaltung ist aktuell in ersten Gesprächen mit den Eigentümerinnen und Eigentümern der Gebäude, vor denen Stolpersteine verlegt werden sollen. Sobald die weiteren organisatorischen Schritte geklärt sind, können auch diese Namen und Orte öffentlich gemacht werden.

Oberbürgermeister Jörg Lutz betont, dass die Stolpersteine ein Signal in zwei Richtungen darstellen: „Für mich ist die Verlegung erster Stolpersteine in Lörrach ein überaus wichtiges Signal an die Nachfahren der Opfer. Wir zeigen ihnen deutlich: eure Vorfahren sind nicht vergessen und wir werden nie vergessen, was ihnen angetan wurde. Aber es ist auch ein Signal an diejenigen Menschen, die heute versuchen den Nationalsozialismus zu relativieren. Dem treten wir als Stadtgesellschaft in aller Entschiedenheit entgegen.“

Am Vorabend der Verlegung, am Mittwoch 23. September wird es im Hebelsaal des Dreiländermuseums einen Vortrag von Gunter Demnig zum Projekt „Stolpersteine“ geben. Der Künstler berichtet persönlich über den bisherigen Verlauf des Projektes, über seine Beweggründe und über seine Erfahrungen aus gut 20 Jahren Stolpersteinen.