26.08.2019 08:25

Naturschutzverbände wollen Solaroffensive im Landkreis ausweiten

(Konstanz) Die Naturschutzverbände im Kreis Konstanz fordern einen schnelleren Ausbau der Solarstromerzeugung.

Der Klimawandel macht einen Paradigmenwechsel beim Ausbau der erneuerbaren Energien nötig. Dies gilt insbesondere für große Solarparks in benachteiligten Gebieten, aber auch für kleinere Solarparks bis 750 KW Leistung auf Deponien, ehemaligen Kiesabbauflächen, entlang von Bahnlinien und Autobahnen sowie auf früher militärisch genutzten Flächen. Dazu fordern BUND, NABU und Bodensee-Stiftung in den nächsten Jahren bis zu 100 ha geeignete Flächen im Landkreis Konstanz bereitzustellen. Das entspricht 0,12 % der Fläche im Landkreis. Diese Solarparks müssen jedoch zugleich einen hohen ökologischen Wert aufweisen.

In benachteiligten Gebieten dürfen auch größere Solarparks entstehen, deren Vergütung im Rahmen von Ausschreibungen festgelegt wird. Weil der Bau kleinerer und größerer Solarparks nicht ohne Inanspruchnahme bislang landwirtschaftlich genutzter Flächen gehen wird, braucht es einen umfassenden Austausch aller betroffenen Akteure. Landwirte, Kommunen und Naturschützer können gemeinsam die Flächen suchen, auf denen die für die Energiewende im Landkreis notwendigen Solarparks entstehen sollen.

Einige wenige Solarpark-Projekte im Landkreis sind bereits auf dem Weg der Umsetzung. „Diese werden von den Naturschutzverbänden unterstützt, wenn sie auf geeigneten Flächen geplant und unter Berücksichtigung ökologischer Standards umgesetzt werden“, betont Thomas Körner, Geschäftsführer des NABU-Bezirksverbandes. Die Erzeugung von Solarstrom ist inzwischen konkurrenzlos billig. Freiland-Solarstromanlagen haben heute nur noch Erzeugungskosten von fünf Cent pro Kilowattstunde. Auf den Dächern liegen die Erzeugungskosten je nach Größe schon spürbar unter zehn Cent. Auch die Flächeneffizienz ist beispielhaft. Gegenüber einem Maisacker für eine Biogasanlage kann auf einem Hektar Solarparkfläche die 40 bis 60-fache Menge an Solarstrom zu erzeugt werden.

„Eine entscheidende Rolle spielen die Kommunen“, so BUND-Kreisvorsitzender Eberhard Koch. Nur wenn sie geeignete Flächen im Flächennutzungsplan ausweisen, wird es gelingen, die notwendige Zahl von kleinen oder größeren Solarparks zu bauen. Alt-Landrat Frank Hämmerle hat dies in einem Schreiben an alle Bürgermeister, kurz vor seinem Abschied, nochmals zu Recht betont. Die Naturschutzverbände bieten allen Gemeinderätinnen und Gemeinderäten sowie Bürgermeistern an, gemeinsam mit der Landwirtschaft nach den Flächen zu suchen, die einen guten Kompromiss zwischen den verschiedenen Belangen möglich machen.

Die Umweltverbände wollen den direkten Dialog mit der Landwirtschaft suchen. Denn nur dann, wenn für die landwirtschaftlichen Betriebe ein wirtschaftlicher Nutzen der Flächen entsteht, kann der Bau der Solarkraftwerke dauerhaft gelingen. Die Naturschutzverbände wollen nicht, dass Flächen, die bislang an Betriebe verpachtet werden, mit Solarmodulen bebaut werden und die diese angesichts der Flächenknappheit im Landkreis noch weniger Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung haben. Andererseits gibt es sicherlich viele Höfe in der Region, zu deren Konzept Solarparks gut passen. „Deshalb sollen Solarparks vorwiegend auf Eigentumsflächen der Landwirte entstehen,“ betont Volker Kromrey von der Bodensee-Stiftung

Die zweite wichtige Forderung der Umweltverbände ist die Gestaltung der Solarparks. Diese werden viele Jahrzehnte zur Stromerzeugung genutzt werden. Dazu ist eine extensive landwirtschaftliche Grünlandnutzung erforderlich. Unter den Modulen können so artenreiche Mager-oder Feuchtwiesen entstehen, die langfristig wertvolle Lebensräume für bedrohte Tier- und Pflanzenarten bereitstellen können. So kann dem Insektensterben mit einem Mosaik von gut ausgewählten Trittsteinbiotopen in der Fläche entgegen gewirkt werden. Dies zeigt das Monitoring der bislang in Landkreis Konstanz etablierten Solarparks. Dort sind durch Mahd und Abräumen des Mähgutes oder durch Schafbeweidung schon heute teilweise richtig wertvolle Naturparadiese entstanden.

Dennoch sollen weiterhin mehr als 80 Prozent der Solarstromanlagen auf Dächern und an Fassaden von Gebäuden entstehen. Gerade in Gewerbegebieten und auf kommunalen Dächern gibt es noch riesige, ungenutzte Potentiale. Insbesondere die durch Parkplätze in Anspruch genommenen Flächen halten die Naturschutzverbände für den zukünftigen Ausbau von Solarstromanlagen für sehr geeignet. Die Beschattung und der Schutz vor Niederschlag durch Solaranlagen ist für den Eigentümer und den Besucherinnen und Besucher von Parkplätzen positiv und die bereits genutzte Fläche kann so eine doppelte Dividende bringen. Die Naturschutzverbände fordern, dem Beispiel Frankreichs zu folgen und im EEG einen eigenen Fördertatbestand für Parkplatz-Solarstromanlagen zu etablieren.

Vor vier Jahren haben Bodensee-Stiftung, BUND und NABU die Solaroffensive im Kreis Konstanz gestartet. Erste Erfolge haben sich eingestellt. Die Solaroffensive ist landesweit zum Regierungsprogramm geworden. Nach vielen Jahren Durststrecke durch politisch gewollte Hindernisse wächst der Solarmarkt seit zwei Jahren wieder zweistellig und die Solarfirmen in der Region sind sehr gut beschäftigt. Jetzt gilt es, diese Dynamik im Kreis Konstanz zu nutzen und neben Dachanlagen auch die Solarparks weiter voran zu bringen. Von diesem Prozess, den vor allem die Kommunen gestalten müssen, sollen Klimaschutz, Naturschutz und Landwirtschaft profitieren.